


Abb. 1: Ultraschallschweißmaschine und Zwischenschicht; Abb. 2: Der fertige Berührungssensor

Abb. 3: Laminierversuch an einer Laminierpresse
Mein Praktikum beim Fraunhofer IZM:
Aufgeregt traf ich am 1. Dezember auf dem kopfsteingepflasterten Betriebsgelände des IZM ein. Da ich erst drei Monate später zu EnterTechnik gefunden hatte als meine Jahrgangskolleginnen, war es mein allererster Praktikumstag. Zur Vertragsunterzeichnung war ich schonmal am Fraunhofer Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration gewesen. Deshalb kannte ich mich schon ein wenig aus und wartete am Empfang auf eine Kollegin, die mich, freundlich und weniger verschlafen als ich selbst, abholte.
Zu Beginn der ersten Woche begegnete ich den grundlegenden Strukturen des Instituts und konnte mich über die einzelnen Abteilungen und ihre Forschungsthemen informieren. Besonders spannend fand ich die Laborführungen und das Kennenlernen von mir vorher unvorstellbaren Maschinen und Geräten. Vor allem traf ich nach und nach auf die vielen unterschiedlichen Wissenschaftler*innen und Mitarbeiter*innen „meiner“ Arbeitsgruppe, System on Flex (SoF).
In den drei darauffolgenden Monaten, die wie im Flug vergehen sollten, wurden meine vorfreudigsten Erwartungen erfüllt und meine anfänglichen Ängste widerlegt.
Die SoF-Mitarbeiter*innen entwickeln und bauen flexible und „weiche“ elektronische Systeme. Herkömmlicherweise werden Mikrosysteme auf sehr festen und unflexiblen Materialien gefertigt, häufig aus Verbundstoffen bestehenden Platten. Auf flexiblen Substraten können neue Anwendungen ermöglicht werden, zum Beispiel in der Medizintechnik mit tragbaren Therapie- und Diagnosegeräten direkt am Körper der Patient*Innen.
Begeistert hat mich die Forschung an E- und Smart-Textiles. E-Textiles sind Textilien, die durch die Integration von leitenden oder elektronischen Komponenten mit zusätzlichen Funktionen ausgestattet werden. Je nach Funktionsumfang können E-Textiles auch als Smart Textiles bezeichnet werden. Unter anderem werden normalerweise nicht (hoch-) flexible Leiterbahnen durch elektrisch leitfähige Garne ersetzt und die Garne mittels Stickens, Webens oder Strickens so in Textilien eingearbeitet, dass das Textil selbst Träger der Leiterbahnen wird. Für mich waren Textilien und Elektronik vorher so widersprüchlich und dieses neue Wissen deshalb besonders aufregend.
Meine erste Aufgabe war Teil eines Smart-Textile-Projektes, für welches die SOF-Mitarbeiter*innen einen textilen Berührungssensor entwickelt hatten. Smart-Textiles können nicht nur zur Übertragung genutzt werden, man kann mit ihnen auch interagieren. Für den Berührungssensor sollte eine Zwischenschicht entstehen, die eine Widerstandssenkung bei Berührung auslöst. Für ein sicheres Gelingen sollten zwei unterschiedlichen Textilien aneinander befestigt werden – ein nichtleitendes Trägertextil und ein schwachleitendes Textil welches bei Druckbelastung den Widerstand ändert (Abb. 1).
Um die Berührungssignale zutreffend zu messen, war es wichtig, keine Löcher in die Zwischenlage einzuarbeiten und dabei einzelnen Segmente nicht aus Versehen miteinander zu verbinden oder zu verkleinern. Für diese spezifischen Anforderungen bot sich an, eine Ultraschallschweißmaschine zu verwenden. Auch die Kanten und Schnüre von FFP2-Masken sind ultraschallgeschweißt. Die Ultraschallschweißmaschine im IZM ist wahrscheinlich wesentlich kleiner als die in der FFP2-Masken-Produktion und ähnlich wie eine Nähmaschine mit einem Pedal zu steuern, also bestens geeignet für den Praktikant*innen-Gebrauch. (Abb. 2)
Nicht nur die Ultraschallschweißmaschine wuchs mir direkt ans Herz, ich lernte auch weitere Wegbegleiter kennen, die mir noch treu durchs IZM folgen würden: die PARAMETER. Parameter sind überall und so monoton sie klingen mögen, absolut richtungsgebend. Maschinen, Werkstoffe und Verbundstoffe, alle haben Parameter oder sind Parameter. Aufeinander abgestimmt und gut untersucht ergeben sie ein zuverlässiges Endprodukt, doch davor liegt meist kleinschrittiges Einschätzen und Ausprobieren. Welche Frequenz braucht die Ultraschallschweißmaschine und mit welcher Kraft muss sie auf die Textilien drücken, um sie fest zu verbinden aber nicht zu beschädigen? Wie stark ändert sich das Verhalten, wenn man eins der beiden Textilien durch ein anderes ersetzt oder anders positioniert? Immer wieder muss man aufeinander abstimmen und kontrollieren ob das Erwartete eintrifft. Dabei gibt es immer wieder Überraschungen. Erfahrungswerte und Fachkunde helfen den Mitarbeiter*innen am IZM schneller zum Erfolg zu kommen. Diese Fülle an Wissen und Intuition in der praktischen Arbeit hat mich sehr beeindruckt. Vor allem hat das Ausprobieren an den unterschiedlichsten Maschinen auch enorm Spaß gemacht.
Die Arbeit, mit teils sehr teuren Geräten und Materialien, fordert eine hohe Gründlichkeit und Sorgfalt. Zu Beginn hatte ich einige Laborunterweisungen um meine eigene Sicherheit und die Sicherheit aller Geräte zu schützen. Immer wenn ich einen neuen Prozess begleiten durfte oder selbst mitgearbeitet habe, wurde mir alles genau erklärt und Raum für ausführliche Nachfragen geboten. Die Angst etwas falsch oder kaputt zu machen, hat mich zu Beginn sehr gestresst. Stetig konnte ich bemerken, dass mit ruhigem Arbeiten und genauem Verstehen des Ziels meiner Aufgabe, diese Angst unbegründet ist. Lasst euch nicht hetzen und fragt lieber zweimal mehr nach als einmal zu wenig, wenn dann trotzdem etwas schief geht, habt ihr euer Bestes gegeben.
Meine Kenntnis von Mikroelektronik, aber auch Elektronik generell, war vor meinem Praktikum am IZM fast nicht existent. Mein Betreuer hat mir für drei Monate sein Lehrbuch aus der Ausbildung für Mikrotechnologen überlassen, meine „Anfängerinnenfragen“ beantwortet und mir immer Zeit gegeben, Dinge für mich selbst zu recherchieren, wenn mir Verständnis für etwas fehlte. Das hat mir unheimlich geholfen und mein Interesse weiter verstärkt auch wenn natürlich manche Dinge für mich zu komplex blieben. Ich lernte die Vielfältigkeit im Werdegang aller Mitarbeiter*innen schätzen, kaum eine*r hatte denselben Studien-/Ausbildungsweg gewählt. Die Studierenden, die am IZM schon während ihres Studiums mitforschen können oder eine ihrer Abschlussarbeiten schreiben, waren ebenso unterschiedlich in ihren Studienfächern. Ich habe von einigen Fächern und Ausbildungen gehört, die ich vorher gar nicht kannte und Gespräche geführt, die mir bei meiner weiteren Berufsorientierung sicherlich helfen werden.
Mit so vielen verschieden Arbeitsfeldern und Fachgebieten war mein Alltag sehr vielfältig, ich durfte unter anderem eigenständig Löten, am Lichtmikroskop mikroskopieren, Versuche dokumentieren und einzelne sogar auswerten. Größere Aufgaben, die ich selbständig erledigen konnte, waren z.B. das Schreiben einer Anleitung für eine Mikroskopier-Software, des Weiteren die Inventur eines Tiefkühlers, mit PowerPoint und Excel und das Durchführen eines Laminierversuches (Abb.3). Einen Großteil meiner Zeit war ich in Begleitung von meinem Betreuer oder konnte mich an eine*n der Student*innen oder andere Wissenschaftler*innen anhängen. Zum Beispiel haben wir Proben unter einem REM (Raster-Elektronen-Mikroskop) untersucht, so genau, dass wir sogar die Position einzelner Atome abschätzen oder am Röntgen-Mikroskop Strukturen erkennen konnten, die mit dem Lichtmikroskop nicht sichtbar gewesen wären.
Viele der Prototypen oder Produkte, die im IZM auf ihre Zuverlässigkeit geprüft werden, durchlaufen verschiedene Arten von Beanspruchung, zum Beispiel in Form von Zug-, Bruch-, oder Torsionstests sowie unterschiedliche Temperatur- und Feuchtigkeitsauslagerungen. Sowohl bei der Vorbereitung auf solche Tests als auch der Durchführung habe ich viel zugeschaut, Fragen gestellt und mitgeholfen, wo ich konnte.
Mein Praktikum am IZM war eine spannende, aufregende Zeit für mich, in der ich neue Interessen entdecken konnte und viele hilfreiche Ratschläge und Perspektiven mit auf den Weg bekommen habe. Ich kann jede*r EnterTechniker*in, die kleinteilige Fehlersuche nicht abschreckend findet und sich freut, einige fachliche Dinge aufzuarbeiten, ein Praktikum am IZM nur wärmstens empfehlen. Wie immer machen die Leute den Laden, das Arbeitsklima und die Menschen, die ich hier täglich um mich hatte, werden mir sehr fehlen und ich bin traurig zu gehen.